Urbanes Arbeiten
Vom rauen Hafen zum modernen Arbeitsort
Über 150 Jahre ist es her, als 1866 mit dem Sandtorhafen das erste moderne Hafenbecken Hamburgs entstand und Dampfschiffen die unmittelbare Einfahrt in die Stadt möglich war. Die Kähne machten dort, wo sich heute der Traditionsschiffhafen im Quartier Am Sandtorkai/Dalmannkai befindet, direkt an den damals neu geschaffenen Kaimauern fest und wurden mithilfe von Kränen be- und entladen. Ein absolutes Novum, ermöglichte es doch eine Verladung von Gütern ohne Umweg vom Schiff direkt am Kai auf die Schiene (bzw. Straße) oder eine Lagerung in den nahen Schuppen der seit 1883 existierenden Speicherstadt. Die Hafenarbeit war sehr vielschichtig: Ent- und Beladen durch sogenannte Schauerleute, Transport der Schiffsladungen auf flachen, offenen Lastkähnen (Ewerführung), Verladung oder Unterbringung der Umschlaggüter auf den Kais (Kaiarbeit) und Stapelung der Waren (Speicherarbeit). Insgesamt waren zum Ende des 19. Jahrhunderts rund 25.000 Menschen in der Hafenarbeit im Hamburger Hafen nördlich der Elbe tätig, hinzu kamen noch ca. 20.000 Werftleute.
Im Zweiten Weltkrieg wurden 70 Prozent der Speicher und 90 Prozent der Kaischuppen im Hafen zerstört. Nach dem Kriegsende wurden sie – in modernisierter Form – wieder aufgebaut. Mit der Einführung des Containers Ende der sechziger Jahre veränderte sich die Hafenarbeit jedoch grundlegend. Für die neuen größeren Containerschiffe waren die Hafenbecken und Lagerflächen in der heutigen HafenCity zu klein. Südlich der Elbe entstanden eigene Containerterminals. Die Hafenbecken, Kaianlagen und Schuppen im Sandtorhafen konnten zwar weiter von der konventionellen Schifffahrt genutzt werden und auch Waren wurden noch hier und dort gelagert und verarbeitet. Gleichwohl nahm die Bedeutung der innenstadtnahen Hafenflächen rapide ab und fand spätestens mit dem Senatsbeschluss von 1997, auf den Flächen des ehemaligen Hafenareals die HafenCity zu entwickeln, ihr endgültiges Ende.
Nutzungsmischung
Seit der Überarbeitung des Masterplans für die HafenCity aus dem Jahr 2010 wird von 45.000 Arbeitsplätzen in der HafenCity ausgegangen. Somit werden in der HafenCity schon bald weit mehr Menschen arbeiten als zu seiner Hochzeit als Hafenareal. Im Vergleich zu vielen anderen Waterfrontprojekten (etwa die Canary Wharf in London) wird die HafenCity jedoch nicht als reiner Bürostandort entwickelt. Der Stadtteil ist vielmehr gekennzeichnet durch eine feinkörnige Nutzungsmischung aus Arbeiten, Wohnen, Bildung, Kultur, Freizeit, Tourismus und Einzelhandel. Diese Vielschichtigkeit der Nutzungen zeigt sich nicht nur in der HafenCity insgesamt, sondern auch innerhalb seiner einzelnen Gebäude, in denen Wohnen, Büronutzungen, Einzelhandel, Kultur und Gastronomie in unterschiedlicher Kombination untergebracht sind.
Ein besonderer Fokus bei der Entwicklung der HafenCity liegt daher in einer für die Öffentlichkeit zugänglichen Erdgeschossnutzung in jedem Gebäude, z. B. Einzelhandelsgeschäfte, Restaurants/Bar, unterschiedliche Dienstleistungsangebote und Galerien. Die in den Kaufverträgen und Bebauungsplänen verankerte Forderung nach durchweg fünf Meter hohen Erdgeschossen in den Gebäuden, der reduzierte Preis für Geschossbodenwerte für Flächen im Erdgeschoss und die Verpflichtung der Bauherr:innen, passende Nutzungen zu suchen, erzeugen die Voraussetzung für eine schon heute ständig spürbare Lebendigkeit und Durchmischung.
Unternehmensstandort
Mittlerweise haben rund 930 Unternehmen ihren Standort in der HafenCity und es sind bereits ca. 15.000 Arbeitsplätze entstanden. In der HafenCity finden sich Konzernzentralen und Unternehmensstandorte aus den unterschiedlichen Branchen. Bei der Ansiedlung von Unternehmen wurde darauf verzichtet, eine besondere Clusterstrategie zu verfolgen, wobei es durchaus kleinere Clusterentwicklungen gibt, vor allem in den Bereichen Medien, Logistik und Energie. Im weitesten Sinne dem maritimen Sektor zugerechnet werden können beispielsweise Kühne + Nagel, COSCO SHIPPING Lines, die Reederei Eukor und DNV, eines der größten arbeitgebenden Unternehmen der HafenCity.
Weiterhin befinden sich die Zentralen großer Unternehmen wie die der Gebr. Heinemann, der BUSS-Gruppe und Engel & Völkers in der HafenCity. Auch Unternehmen wie Greenpeace und Enerparc, beide aus dem Bereich Nachhaltigkeit und zukunftsfähige Energien, haben ihr Headquarter in der HafenCity bzw. errichten dieses derzeit. IT-Unternehmen und -dienstleistungen stellen einen weiteren Branchenschwerpunkt in der HafenCity dar, repräsentiert unter anderem von der DATEV und den IT Services von Kühne + Nagel. Neben den großen Unternehmen ist die HafenCity zudem gekennzeichnet durch eine Vielzahl von mittleren und kleinen Unternehmen, die Büroflächen angemietet haben.
Neue Arbeitswelten
Im Laufe der letzten Jahre entwickelte sich die HafenCity zunehmend zu einem beliebten Standort für Startups und innovative Geschäftsideen mit hohem Wachstumspotenzial. Venture Capital Fonds sowie jung gegründete, wendige und marktaffine Unternehmen, von der digitalen 3D-Programmierschiede bis hin zum analogen Modelabel, schätzen neben einer inspirierenden Umgebung vor allem die kreative Nähe zu anderen Unternehmen in der HafenCity. Im Campustower entstand mit dem Blockchance Campus Hamburgs erster Coworking Space für Blockchain, hinzukommen der Fintech-Hub Finhaven und das Foodlab im Watermark Tower, letzteres ein weltweit einzigartiger Coworking Space für Start-Ups aus der Foodszene. Zudem haben mit dem Modeatelier Abelé, Sir Leder Michel und Holzwerk bereits kleine Manufakturen die HafenCity als Standort für sich entdeckt. Zukünftig wird das „Manufakturwerk“ Flächen für Handwerk und urbane Produktion sowie für Events bieten.
Zu einem veritablen Startup-Hub wird das Quartier Elbbrücken. Hier finden Unternehmen ihren Platz, die innovative Konzepte verfolgen und Angebote für die Anforderungen der zukünftigen Arbeitswelt suchen. So wird etwa Enerparc AG ihre vielfältigen projekt- und teamorientierten Arbeitsmethoden auch baulich abbilden und durch die innere Struktur des neuen Headquarters ein kommunikationsorientiertes Arbeitsumfeld schaffen, das sich flexibel an unterschiedliche Arbeitsmethoden anpasst. Einen ähnlichen Weg geht das in unmittelbarer Nähe entstehende Bürogebäude EDGE HafenCity, das modulare und mit smarter Technologie ausgestattete Arbeitsflächen bieten wird, die räumlich und zeitlich flexibel angemietet werden können: Eine langfristige Nutzung durch Unternehmen soll hier ebenso möglich sein wie temporäres Coworking durch Einzelpersonen. Den wohl weithin sichtbarsten Schritt zum Arbeitsort der Zukunft wird die HafenCity an ihrem östlichsten Ende vollziehen. Geradezu symbolhaft für diese Transformation steht der Elbtower als mischgenutztes Hochhaus, in dem allein mindestens 2.700 Arbeitsplätze entstehen werden, von kleinen Coworking-Flächen bis hin zu modernen und flexibel gestaltbaren Büroflächen für große in den Turmgeschossen. Ausreichend Raum zur Erholung während der Mittagspause bietet zudem der im Juni 2021 eröffnete Amerigo-Vespucci-Platz als zentraler, kommunikativer Begegnungsort des Quartiers.
Hotelkonzepte
Eine Vielzahl von Arbeitsplätzen schafft auch die Hotellerie mit den unterschiedlichsten Hotelkonzepten. Bislang haben sechs Hotels und ein weiteres Hotel in der angrenzenden Speicherstadt mit insgesamt über 1.300 Zimmern eröffnet. In den nächsten Jahren werden acht weitere Hotels mit weit über 2.100 Zimmern hinzukommen.
Das Angebot reicht dabei vom Luxushotel in der Elbphilharmonie über ein Kongresshotel an den Elbbrücken bis hin zu ganz speziellen Hotelkonzepten. So spricht das JUFA-Hotel speziell Familien an, mit dem Stadthaushotel soll ein integratives Hotel entstehen, und das 25hours Hotel nimmt mit seinem Ableger Altes Hafenamt die Historie des Ortes auf.
Wissen und Bildung
Die HafenCity weist zudem einen außergewöhnlich hohen Anteil an Wissens- und Bildungseinrichtungen auf. Diese bieten nicht nur attraktive Arbeitsmöglichkeiten, sondern sorgen etwa durch die Betreuungsleistungen von Kindern und Jugendlichen auch für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Arbeit der Eltern. Gleichzeitig ermöglichen es weiterführende Bildungseinrichtungen den in der HafenCity ansässigen Unternehmen, ihre Praktikumsstellen und Arbeitsplätze mit einem Pool aus erstklassig ausgebildeten Studierenden und Young Professionals zu besetzen.
Neben der HafenCity Universität (HCU) haben sich diverse private Universitäten in der HafenCity angesiedelt: die Kühne Logistics University (KLU), die Medical School Hamburg (MSH), die International School of Management (ISM), sowie die Frankfurt School of Finance & Management. Weitere Bildungseinrichtungen wie z.B. das Präventionszentrum der BGW und der VBG, zwei der größten Berufsgenossenschaften in Deutschland, sind u.a. an den Elbbrücken vorgesehen. Neben der schon seit Jahren in der HafenCity etablierten Katharinenschule, die nicht nur Schulkinder aus der HafenCity selbst, sondern auch aus angrenzenden Quartieren anzieht, wird es zukünftig noch eine weitere Grundschule sowie den Schulcampus HafenCity mit Gymnasium und Stadtteilschule am Lohsepark geben.
In Zukunft
Innerhalb von gerade einmal gut 30 Jahren entsteht somit auf dem Areal der HafenCity ein neuer hochgradig mischgenutzter Stadtteil Hamburgs, in dem es sich nicht nur hervorragend leben und ausgehen lässt. Gerade auch das Arbeiten ist hier, umgeben vom Wasser und vom Grün, hochattraktiv. Die HafenCity lädt in der Pause zum Verweilen oder zum Shoppen ein, nach Feierabend zu einem gemeinsamen Bier oder zum Konzertbesuch – und bietet dazwischen Raum für hochwertigen Output, Kreativleistungen und Synergien. Das alles war vor gut 150 Jahren noch undenkbar. Der Hafen war rau, laut und schmutzig. Gelebt wurde höchstens auf den benachbarten Elbinseln Kehrwieder und Wandrahm. Das weiter südlich gelegene nördliche Grasbrook Areal war der harten Arbeit vorbehalten. Heute merkt man davon nichts mehr.
Der ganze Stadtteil steht so in einem kontinuierlichen Austausch mit seinen Nutzenden, er atmet, ist lebendig und bietet alle Möglichkeiten zur kreativen Weiterentwicklung. Gleichzeitig entstehen Gebäude, die den Anforderungen einer sich immer weiter verändernden Arbeitswirklichkeit Rechnung tragen. Diese sind smart und flexibel, fördern den Austausch und die Innovation und arbeiten mit an der weiteren Etablierung des Arbeitsorts der Zukunft mitten in der Innenstadt.