Oberhafen
Kreativ- und Kulturquartier
Nur einen Steinwurf vom Lohsepark, den Deichtorhallen und dem Großmarkt entfernt entsteht ein innovativer Mix aus Kultur-, Kreativwirtschafts- und Sportangeboten
Wohnungen, Büros und Einzelhandelsflächen – dieser „Dreiklang“ urbaner Nutzungen steht bei Stadtentwicklungsvorhaben meist ganz oben. Neue Orte für Sport und Kreativschaffende, insbesondere im niedrigschwelligen Segment, sind hingegen eher Mangelware. Anders in der HafenCity: Im Quartier Oberhafen entsteht in den kommenden Jahren ein neuer, urbaner, kreativer Nukleus als Ergänzung und Erweiterung des innerstädtischen Flächen- und Nutzungsangebots, der genau diese Bereiche stärkt.
Langfristig können im Bestandsquartier im Westen des Areals bis zu 500 Arbeitsplätze in verschiedenen Kultur- und Kreativwirtschaftsbranchen und mit perspektivischer Anbindung an das Großmarktareal entstehen. Im Osten des Quartiers werden ein Fußballplatz und Flächen für Schul- und Vereinssport gebaut, die der gesamten Hamburger Innenstadt zu Gute kommen.
Bewegte Geschichte
Jahrhundertelang war der Oberhafen ein Zentrum der Flussschifffahrt. Hier wurden seit dem 17. Jahrhundert Elbkähne entladen, mit denen Obst und Gemüse aus den stromaufwärts gelegenen Vier- und Marschlanden zum Markt am Deichtor gebracht wurde. Nach dem Bau des Hannoverschen Bahnhofs 1872 wurde das Quartier zu einem intensiv genutzten Güterbahnhofsstandort.
Auch heute noch sind die langgezogenen Schuppen, Straßen und Gleisverläufe aus dieser Zeit gut erkennbar – sie prägen das Quartier und geben ihm seinen ganz eigenen, altindustriellen Charme. 1906 wurde der wuchtige Bahndamm errichtet, der den Eisenbahnverkehr an den neuen Hauptbahnhof anband, das Quartier allerdings auch nach Westen abriegelte. Der bislang einzige Zugang befindet sich im Nordwesten an der Oberhafenkantine, einem winzigen Gebäude, das 1925 als Kaffeeklappe für diejenigen entstand, die am Hafen arbeiteten, und das heute unter Denkmalschutz steht.
Chancen für Kultur und Kreativwirtschaft
Schon während der Bahnnutzung waren die ersten Kreativen vor Ort: aus Bereichen wie Kulissenbau und Fotografie sowie verschiedene städtische Akteur:innen mit Ausstellungsprojekten, Kurzfilmfestivals, temporären Installationen und Performances. Der eigentliche „Startschuss“ der Transformation fiel 2010 in der HafenCity-Masterplan-Überarbeitung mit der Entscheidung, den zuvor geplanten Gewerbeschwerpunkt nicht weiter zu verfolgen, sondern stattdessen neue Flächen für die Kultur- und Kreativwirtschaft und gleichzeitig für den Schul- und Vereinssport zu schaffen.
Damit begann ein langfristiger und weitreichender Umnutzungsprozess. Auf einem großen internationalen Symposium 2011 in der Kampnagel Fabrik wurden Entwicklungsmöglichkeiten für das neue Kreativquartier ausgelotet und Steuerungs- und Nutzungsoptionen diskutiert, anschließend eisenbahn-, hafen-, und bauordnungsrechtliche Fragen für Umwidmungen und Umnutzungen gelöst. Die DB und Unternehmen aus der Logistikbranche gingen und neue Ankermieter:innen kamen, eine institutionenübergreifende städtische Arbeitsgruppe und ein lokaler Verein, der Oberhafen e. V., schufen die Grundlage für dauerhafte und beständige Strukturen und neue Formen der Zusammenarbeit zwischen den beiden Koentwicklerinnen HafenCity Hamburg GmbH und Hamburg Kreativ Gesellschaft mbH sowie den Personen vor Ort. In drei Interessenbekundungsverfahren wurden geeignete Konzepte ausgewählt, die jeweils einen ganz eigenen, besonderen Mehrwert für die Stadt und insgesamt ein hohes Maß an Diversität schufen. Ein neuer Geist wehte durch das Quartier: Der Oberhafen war „cool“ und weckte als einer der letzten, unverbauten Orte in der Stadt die Neugier von Kreativen, Filmleuten und Start-ups.
Konzeptionelle Vielfalt
Ob große Hallen oder kleinteiligen Büro- und Atelierflächen in den Kopfgebäuden, der Oberhafen bietet ideale Voraussetzungen für die Entstehung eines lebendigen Kunst-, Kreativ- und Kulturstandorts in direkter Anbindung an die Kunstmeile, die City, Rothenburgsort und die City Süd mit den sich dort entwickelnden Kulturaktivitäten und Potenzialen. Auf Branchen-Clusterungen wird bewusst verzichtet – der Oberhafen ist kreative Heimat ganz verschiedener Konzepte und Angebote. Die lässige Klassik- und Jazzlocation Halle 424 in einem mischgenutzten Foto- und Werkstattstudio findet hier ebenso Raum wie die Erste Liebe Filmproduktion, der Parkour Creation e. V. und das Musikpädagogikangebot LuKuLuLe mit Kinder- und Jugendarbeit; der Gängeviertel e. V. mit dem Coworking-Space FilmFabrique und dem Szeneclub Moloch ebenso wie das innovative Upcycling-Konzept für Kulissen und Kostüme der Hanseatischen Materialverwaltung – eine Weiterentwicklung eines New Yorker Vorbilds und mittlerweile etablierter Netzwerkknoten im Quartier mit gut besuchten Winterbasaren und Frühlingsfesten.
Im August 2018 hat die zweite Gastronomie des Quartiers, das kombinierte Restaurant- und Markthallenkonzept „Hobenköök“, seinen Betrieb aufgenommen und zieht neue Lauf- und Stammkundschaft an. Und selbst zur Nachhaltigkeit der HafenCity leistet der Oberhafen einen wichtigen Beitrag. Von außen nur durch einen Schornstein erkennbar, erzeugt das Unternehmen enercity im vorderen Teilbereich der Halle 4 Wärmeenergie in Höhe von 10 Megawatt. Auf kleinstem Raum befinden sich ein Blockheizkraftwerk, zwei mit Erdgas (bilanzielles Biomethan) betriebene Heizkessel, eine Wärmespeicheranlage sowie eine Umspannstation für die Stromeinspeisung in das örtliche Stromnetz.
Innovative, dialogorientierte Entwicklung
Doch nicht nur die Nutzungsmischung, auch der Transformationsprozess selbst ist innovativ. Gibt es bei anderen Kreativquartieren oftmals finanziell getriebene Vermarktungen mit dem Risiko der Gentrifizierung, garantiert der Oberhafen dauerhaft verlässliche, niedrigschwellige Mieten. Grund sind zwei Besonderheiten in der HafenCity-Entwicklung: die Nutzung von Bestandsgebäuden auf dem historischem Niveau von ca. 5 m über NHN (statt Neubebauung und hochwassergeschützter Aufhöhung) und die Haltung im städtischen Eigentum des Sondervermögens Stadt und Hafen (statt Grundstücksverkauf). Durch die Vermietungen werden keine Überschüsse produziert, sondern die Gebäudesanierungen langfristig refinanziert.
Die Entwicklung im Bestandsquartier wird in intensiven Dialogprozessen mit den Nutzenden vor Ort weitergeführt, z.B. durch Beteiligung bei den Interessenbekundungsverfahren für Mietflächen, durch Einbindung in die Freiflächengestaltung und durch perspektivische Überlegungen für die Selbstverwaltung und den Betrieb von Teilflächen. Seit Frühjahr 2018 ist die Partizipation auch institutionell gefestigt. Das "Nutzergremium 5+1", unterstützt mit einer städtischen Anschubfinanzierung, fungiert als Schnittstelle zwischen den städtischen Gesellschaften HafenCity Hamburg GmbH und Hamburg Kreativ Gesellschaft mbH sowie der Gemeinschaft vor Ort.
Neue Flächen für Freizeit und Sport
Während in die Bausubstanz des Kreativquartiers nur „minimalinvasiv“ mit Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen eingegriffen wird, verändert sich das Gesicht der Freiräume und öffentlichen Flächen in den kommenden Jahren deutlich. Nördlich der Halle 4 wurden die Freiflächen am Kanal verkehrssicher hergerichtet, sodass in attraktiver Wasserlage, vis-à-vis vom Großmarkt, neue Freizeit- und Quartierstreffpunkte entstehen. Großes Potenzial für eine öffentliche Nutzung bietet auch der zentrale Gleisfeldbereich zwischen den Hallen 2 und 3 – hier ist allerdings die Frage offen, ob und wie eine Erhaltung des markanten Dachs mit den damit verbundenen kostspieligen Brandschutzmaßnahmen finanziert werden kann.
Hinter den Güterhallen und dem alten Bahnmeistereigebäude wechselt das Quartier dann vollständig sein Gesicht: Integriert in die schmal zulaufende Landfläche zwischen Wasser, Bahndamm und Biotopflächen, entstehen ein Fußballfeld und Schulsportflächen inklusive 100-m-Bahn und Wurfanlage, die vom künftigen Schulzentrum am Lohsepark mit Gymnasium und Stadtteilschule, den beiden Grundschulen der HafenCity sowie Hamburger Vereinen gemeinschaftlich genutzt werden. Zwischen den beiden Teilbereichen des Quartiers wird eine hochwassergeschützte Querung mit Brücke zum Großmarkt und Bahndammdurchstich zur U-Bahn-Station HafenCity Universität den Übergang auch topografisch neu definieren und Kreativ- und Sportareal für alle, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, von Norden und Süden erschließen. Langfristig entsteht so nicht nur ein neues und funktionales Quartiersentree – auch der Oberhafen selbst erfährt eine ganz neue stadträumliche Bedeutung, von einer einst abgeschiedenen, unwirtlichen Randlage zum vernetzten innerstädtischen Transformationsraum.